Die einen sind Charlie.
Die anderen sind nicht Charlie. Die sagen, sie verurteilen Gewalt, heißen aber deren Karikaturen nicht gut, da sie religiöse Gefühle verletzen.

Die einen sind Charlie…

Eine Fensterscheibe, eine Person und "Je sius Charlie". Die geöffnete Seite zeigt: Es ist nur auf die Oberfläche gemalt.

„Je suis Charlie“

Bei uns ist medial allerdings bereits wieder anderes in den Vordergrund getreten. Hier ist eben nicht Paris. Und wir sind eben doch nicht Charlie.

Es gibt Anhänger noch einer Reihe weiterer „Ich bin…“s. Aber jedenfalls geht es darum, sich mit jemandem zu identifizieren, mit den beim Anschlag Getöteten, mit den ebenfalls umgekommenen Polizisten und den jüdischen Betroffenen, die nur einkaufen gehen wollten.

Die erste Ausgabe nach dem Attentat fand so reißenden Absatz, dass man mit dem Drucken nicht nachkam. Die Abo-Zahlen sind in die Höhe geschnellt. Vorher wollte das kaum jemand haben. Ich gönne den Machern die Anteilnahme und einem kleinen Karikaturen-Blatt den Bekanntheitsgrad. Auch wenn ich die Karikaturen, soweit ich sie gesehen habe, nicht besonders gelungen und schon gar nicht lustig fand.

Auch das fällt unter die Meinungsfreiheit. Momentan wird diese Meinungsfreiheit häufig auf den Plan, Bildschirm oder ans Mikrofon gerufen.

Es geht nicht vor allem um Meinungsfreiheit

Wir haben es nicht mit einfach der Frage der Meinungsfreiheit zu tun, die in unserem Grundgesetz als Grundrecht verankert ist, sondern mit Karikaturen. Meinungsfreiheit ist darin nur ein kleinerer Teil.

Stellen wir uns eine Karikatur vor, die zeigt, wie islamistische Terroristen den Propheten Mohammed umbringen, weil sie in ihm einen Ungläubigen sehen. Ich würde daraus schließen, dass der Zeichner sagen will: Die Islamisten sind keine Muslime, sondern extremistische Gewalttäter. Sie würden den Propheten Mohammed ebenso umbringen wie mich oder dich.
Muslime werden damit vom Karikaturisten in Schutz genommen. Macht er doch deutlich, dass er die IS nicht als muslimisch ansieht, sondern als terroristisch.

So eine Karikatur gibt es. Und seltsamerweise wurde sie als Angriff auf die Würde Mohammeds und als Verunglimpfung des Islam interpretiert. Ich kann daraus eigentlich nur schließen, dass die Betreffenden die Karikatur nicht verstanden haben. Wir befinden uns dabei nicht etwa unter Betrunkenen in der Eckkneipe. Von den Journalisten eines öffentlich-rechtlichen Senders in Deutschland (Panorama vom 29.01.2015, Beitrag „Wenn Meinungsfreiheit zur Waffe wird“, NDR) sollte man etwas mehr erwarten können.

Eigentlich möchte deren Beitrag zeigen, wie es Muslimen mit dem Umgang der Medien mit dem Attentat geht. Er zielt darauf, dass es auch im „christlich“ geprägten Westen Grenzen dessen gibt, was man drucken und öffentlich sagen darf.
Es stimmt, dass unter dem Banner der „Meinungsfreiheit“ plötzlich alles mögliche und unmögliche abgedruckt wird. Doch dann geht mal wieder einiges durcheinander. Schauen wir also mal genauer hin.

Ich stimme dem Karikaturisten zu, dass die von extremistischem Fundamentalismus vernagelten Gestalten des IS und ihre Anhänger anderswo auf der Welt den historischen Menschen Mohammed, stünde er heute vor ihnen, möglicherweise ebenso niedermetzeln würden, wie sie die Menschen in den ihnen unterworfenen Gebieten in Syrien und dem Irak umbringen. Oder in Nigeria.
Ich gehe davon aus, dass diese Aussage die meisten Muslime in Deutschland nicht beleidigt.

Offenbar geht es in dieser Sache um etwas anderes als um Meinungsfreiheit.

Ist die Darstellung Mohammeds im Islam verboten?

Nun sagen viele Muslime, schon allein die Darstellung Mohammeds sei im Islam verboten. Das stimmt so nicht. Muslime sollten sich in diesem Zusammenhang mindestens selbst die Frage stellen, ob sie sich das einreden lassen wollen.

Eine solche Lehre wird von einigen islamischen Strömungen vertreten. Andere haben damit kein Problem. Es ist also eine innerislamische Kontroverse. Allerdings eine, zu der man Stellung nehmen kann – und sollte.

Es gibt alte islamische Kunst, in der Mohammed abgebildet ist. Das ist schlicht nicht zu leugnen. Konsequenter ist da schon die Position, jede Darstellung von Lebewesen ab zu lehnen, nur sollte man dann auch keine Fotos machen und Filme anschauen. Allerdings ist das noch schwerer aus der Tradition zu begründen, denn Darstellungen von Lebewesen, auch Menschen, gab es außer in der Kunst auch an Hauswänden und auf Münzen.

Filmen tut selbst der IS. Nicht zu knapp.

Wer bildliche Darstellung nicht generell ablehnt, sollte sich umso mehr fragen, was denn Mohammed von anderen Menschen so unterscheidet, dass ihm eine solche Sonderrolle zukommt.
Wir debattieren hier nicht die Frage, ob Mohammed ein Prophet gewesen ist und was Propheten überhaupt sind. Es ist keine Kontroverse zwischen Religionen (auch wenn ich Christin bin), es geht hier lediglich um das, was der Islam selbst in seinen Grundlagen dazu sagt.

Nach islamischer Lehre ist Mohammed ein Mensch. Ausdrücklich. Nicht dargestellt werden darf Gott. Wer behauptet, Mohammed dürfe aus Ehrfurcht nicht dargestellt werden, rückt ihn eindeutig in die Nähe Gottes. Das sollte man als Muslim besser unterlassen.

Verboten ist die Verehrung von Bildern an Stelle von Gott selbst. Es geht nicht per se um die Darstellung von Personen, sondern um den strikten Ausschluss kultischer Verehrung eines Menschen oder überhaupt jedes Lebewesens. Das ist aus dem Zusammenhang des Anspruchs Mohammeds, konsequenten Monotheismus zu vertreten, ganz klar. Das sagen auch islamische Gelehrte.

Wenn es verboten wird, Mohammed darzustellen, bedeutet das dann nicht, dass in der Praxis ausdrücklich eine Gefahr besteht, dass er angebetet oder gottgleich verehrt wird? In dem Fall liegt das Problem aber am Umgang mit dessen Person. Durch Muslime. Nicht an der Darstellung durch Nicht-Muslime.

Könnten da Karikaturen nicht sogar nützlich sein, um Mohammed wieder zu einem Menschen werden zu lassen, wie es im Koran betont wird? Würde es nicht helfen, seine unerlaubte Überhöhung und Vergöttlichung zu verhindern?

Eine Anfrage an Muslime.

Religiöse Gefühle

Vielleicht geht es also nicht um ein religiöses Gebot, sondern um religiöse Gefühle.

Dass das Problem ein anderes ist als das bildlicher Darstellung als solcher, meint offenbar auch der oben genannte Beitrag, wenn er betont, dass Meinungsfreiheit Grenzen hat. Und insbesondere auch Christen religiös empfindlich sein können.

Letzteres ist unzweifelhaft richtig. Es hat nur weniger mit Karikaturen zu tun. Wenn Karikaturisten die Wahrheit ans Licht bringen, mag einem manchmal das Lachen im Hals stecken bleiben, vielleicht sogar sich der Magen umdrehen, aber religiöse Gefühle sind das nicht.

Religiöse Gefühle gibt es auf katholisch oder evangelisch, muslimisch, hinduistisch oder nationalistisch. Erhebende Gefühle haben wenig mit dem zu tun, was ich glaube. Ein Gekreuzigter als Inbegriff der Gegenwart Gottes ist wenig romantisch und wenig erhebend.

Man kann Menschen sehr verletzen, wenn man ihre religiösen Gefühle missachtet. Das ist durchaus problematisch, weil die wenigsten, gerade der jüngeren Menschen, die Selbstdistanz besitzen, zwischen berechtigten Anfragen an eine Überzeugung und unberechtigten Verunglimpfungen zu unterscheiden.

Nun höre ich des öfteren, dieses Empfinden sei so rein subjektiv, dass man nicht entscheiden könne, was berechtigte Rücksicht auf religiöse Gefühle sind und was man auch als religiöser Mensch an Meinungsfreiheit aushalten muss.

Oh doch, es gibt da Kriterien.

1.
Es macht einen Unterschied, ob man alle Anhänger einer Religion der Lächerlichkeit preisgibt; oder ob man einzelne Personen(gruppen), etwa religiöse Führer, aufgrund ihres konkreten persönlichen Verhaltens aufs Korn nimmt, insbesondere ihres moralischen Tuns oder öffentlichen Gebarens.
Das ist mit Abstand die wichtigste Unterscheidung. Wenn sich jemand beschissen benimmt, ist es gleich, ob es ein religiöser Mensch ist oder nicht.

Was darüber hinaus geht, betrifft die Qualität von Karikaturen.
2.
a) Schlechte Karikaturen spießen keinen Misstand auf, sondern illustrieren nur bereits bestehende Meinungen. Das gilt generell. Betrifft dies aber Vorurteile gegen religiöse Menschen, die da bestätigt werden, wird das ein Mittel der Demagogie.

b) Damit Karikaturen vom Zielpublikum verstanden werden können, bedarf es einer grundlegenden Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, auf die die Karikatur mit ihren Überzeichnungen verweist. Wer ständig nur Karikaturen verbreitet, die aufgrund fehlenden Hintergrundwissens von einem Großteil der Leser nicht entschlüsselt werden können, verfehlt nicht nur den Sinn von Karikaturen. Es bleibt in manchen Fällen von der Karikatur in der Rezeption beim Leser außer den Klischees, die sie benutzt, nichts mehr übrig.

c) Wenn Karikaturen, die in einem Medium erscheinen, sich ständig mit nur einer Gruppe von Menschen, sei diese religiös, kulturell oder politisch unterschieden, beschäftigt, obwohl auch anderswo Missstände bekannt sind, kann man diesem Medium zurecht Einseitigkeit unterstellen. Schwierig wird es, wenn dies große öffentliche Wirkung hat, während diese Gruppe selbst kein entsprechendes Forum besitzt, um dem etwas entgegen zu setzen. Dann werden sich die dieser Gruppe Zugehörigen früher oder später isoliert und gebranntmarkt fühlen.

Und um eines klar zu sagen: Hier geht es nicht um Charlie Hebdo.

Nicht Karikaturisten sind das Problem, sondern all die, die jedes Kriterien verloren haben. Vor allem diejenigen, die vor lauter Angst, jemandem auf die Zehen zu steigen, gleich von vorne herein jede Äußerung, die als kritisch verstanden werden kann, im Keim ersticken.

Gute Karikaturisten wissen, wie man Karikaturen macht. Sie haben überhaupt kein Interesse, schlechte Karikaturen zu zeichnen, wenn ihnen jemand die guten abkauft, damit sie davon leben können.

Also lasst sie gute Karikaturen machen. Gleich über was.

Freie Meinung ist nicht Willkür

Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit sind Rechte, die dem Schutz der Freiheit selbst dienen. Es sind Maßnahmen gegen das Meinungs-Monopol. Sie sind nicht Aufforderungen zur Willkür.

Wenn eine Meinung frei ist, vor allen Dingen frei von jeder Begründung, macht sie das nicht wahr.

Dass nicht nur die Gedanken frei sein müssen, sondern es auch möglich sein muss, diese zu äußern, enthebt niemanden davon, für seine Äußerungen verantwortlich zu sein.

Eine Kampagne gegen Massentierhaltung, die Bilder von eingesperrten Tieren neben Bilder von Menschen hinter dem Stacheldraht der NS-Konzentrationslagern stellt, wird in der Tat zu recht verboten. Dafür gibt es sehr gute Gründe. Hier steht nicht eine freie Meinung auf dem Spiel. Es ist vielmehr eine Wirkung impliziert, die jenseits dessen liegt, was die Urheber bezwecken wollten, die Empörung über den Umgang mit Tieren.
Die Bilder schaffen eine Gleichsetzung von Schweinen und Menschen. Macht man sich klar, dass die Wirkung der Nazi-Propaganda darauf basierte, einem Teil der Bevölkerung das Menschsein ab zu sprechen und damit die Tötungshemmung außer Kraft zu setzen, wird die Brisanz der Darstellung deutlich. In der Tat wurden Menschen wie Schweine zusammengepfercht, in einem System industrieller Nutzung „verbraucht“ und wie Schweine abgeschlachtet. Genau deshalb ist die Gegenüberstellung nicht geeignet, sie zugunsten der Schweine zu nutzen.

In diesem Fall einer Begrenzung der Meinungsfreiheit ging es darum, dass die Kampagne die Logik der Tötungsmaschinerie der Nazis wiederholt hätte.

Meinungsfreiheit hat eine Grenze, wo die Persönlichkeitsrechte oder Freiheitsrechte bedroht sind.

Wann immer zwei einander widersprechende Grundrechte aufeinander stoßen und in Konflikt geraten, muss abgewägt werden. Natürlich auch im Fall der Pressefreiheit.
Zu solchen Grundrechten gehört die negative (Ablehnung von religiösen Praktiken) und positive (Ausübung religiöser Praktiken) Religionsfreiheit.

Die ist jedoch als solche durch Karikaturen mit Bezug zu religiösen Inhalten oder Akteuren nicht bedroht, es sei denn, es wird dadurch Hetze gegen eine Religionsgemeinschaft oder ihre Anhänger betrieben. Dazu gehören bewusste Fehlinformationen in rufschädigender Absicht oder Aufrufe zu Diskreditierung oder Gewalt.

Beispiele aus dem Bereich christlicher Religion

Fangen wir also bei uns selbst und unseren Reaktionen an. Ich bin Christin, keine Muslima. (Ihr findet beide Beispiele auch in oben genannter Sendung wieder.)

Die allermeisten Karikaturen, wo Gott, Jesus oder religiöse Autoritätspersonen im christlichen Kontext auftauchen, erregen keinerlei Anstoß. Die meisten Christen lachen selbst darüber. In vielen Fällen sind sie die effektivsten Verbreiter im Internet.

Manch anderes ist einfach blöde, geschmacklos und dumm. Darüber kann man hinweg sehen. Nur in einigen Fällen der letzten Jahre kam es zu Protesten.

Das Satiremagazin Titanic hat im Juli 2012 auf seinem Frontcover Papst Benedikt XVI. mit in der Lendengegend vorne einem gelben Fleck auf der weißen Soutane darstellt, auf dem Backcover mit einem braunen Fleck. Dazu die Aufschrift „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!“ Verwendet wurde dafür keine Strichzeichnung, sondern ein manipuliertes Photo.

Es betrifft die Persönlichkeitsrechte einer lebenden Person. Und Titanic hat dafür auch eine Rüge vom Presserat eingesteckt. Es bleibt eine Geschmacklosigkeit, ganz gleich wen man an die Stelle des Papstes setzt. Eine religiöse Frage ist das nicht. Der Vatikan hat den Antrag auf einstweilige Verfügung vor der Verhandlung zurück gezogen, so dass das Heft verkauft werden durfte.

Also ein anderes Beispiel mit eindeutig religiösem Inhalt. Einen Monat später, im August 2012, hängt die Caricatura, die Karikaturen-Ausstellung im Rahmen der Documenta, ein Plakat des Künstlers Mario Lars ins Fenster. Man sieht Jesus am Kreuz dargestellt; daneben eine Sprechblase vom Himmel mit der Aufschrift „Ey… du… ich hab deine Mutter gefickt“.

Was dieses Beispiel so besonders macht: Der Künstler wurde daraufhin von einem Christen angezeigt wegen Störung der öffentlichen Ordnung durch Blasphemie. Als das Bild durch die Medien bekannt wurde, ging ein Aufschrei durch die christliche Welt. Schließlich wurde das Plakat am Kasseler Kulturbahnhof auf Bitte des Künstlers, der massiv beschimpft worden war, entfernt.

Dies ist eines der wenigen Beispiele, die für Aufsehen gesorgt haben.

Es wäre besser, sich an der Interpretation zu beteiligen

Der Künstler fühlte sich im übrigen falsch verstanden. Was ich nachvollziehen kann. Lassen wir einmal die Frage einen Moment außen vor, ob man Gott mit sprachlichen Entgleisungen wie „ficken“ in Verbindung bringen soll. Und versuchen wir einfach mal eine andere Deutung.

Man hätte es einfach als Aufforderung verstehen können, sich einmal zu überlegen, was es mit dieser „Jungfrauengeburt“ denn eigentlich auf sich hat. Doch machen wir uns ein wenig mehr Mühe.

1. Der Künstler bezieht sich auf die Aussage, die im traditionellen Glaubensbekenntnis verankert ist, dass Jesus durch den Heiligen Geist in der Jungfrau Maria gezeugt worden ist. Daher gilt als sein Vater nicht Josef, Marias Mann, sondern Gott Vater. Genau das greift der Künstler auf. Kein Grund für Christen, sich auf zu regen.
2. Der Künstler benutzt eine Sprache, um diesen Vorgang zu beschreiben, der der abwertend-sexualisierten Sprache entspricht, mit der heute öffentlich über Sex gesprochen wird und die inzwischen bereits Kinder benutzen.

Nun kann man wohl in Frage stellen, ob „ficken“ dasselbe ist wie „zeugen“. Doch könnte man die Karikatur auch als eine Anfrage an unsere Sprachwahl und den gesellschaftlichen Umgang mit intimen Vorgängen lesen statt als Angriff auf die religiösen Vorstellungen von Christen.

Was Christen sehr deutlich gespürt haben ist: So kann man darüber nicht reden. Das ist korrekt. Die Frage ist nur, ob man überhaupt so reden kann.

Ich finde viel mehr Grund, mir Sorgen zu machen, wenn ich sehe, welche Sprache im Internet gebraucht wird und in welcher Sprache Jugendliche über Sex reden. Diese Sprache ist abwertend, entwürdigend. Sie zerstören etwas, weil wir es ihnen beibringen und sie nicht schützen. Sie zerstören es nicht für uns. Sie zerstören es in ihrem eigenen Leben.

Von Liebe bleibt da nichts. Genau wie in der Karikatur dieses Künstlers von Gott nichts bleibt. Wir hätten vielleicht lieber besser hin gehört, was dieser Künstler uns sagt. Uns darüber empört statt über ihn.

Mit diesem Beispiel sind wir mitten in einem wirklich religiösen Feld. Wenn da religiöse Gefühle in Erscheinung treten, ist das legitim.
Und dennoch würde ich selbst da empfehlen: Besser als sich auf zu regen wäre, nach zu denken, was genau einen so aufregt. Was eigentlich das Verwerfliche ist. Und darauf zu reagieren.

Gott ist Liebe, nicht Sex. Wer einen Gott anbetet wie den, den dieser Künstler in seiner Darstellung vor Augen führt, betet nicht den Gott der Christen an. Er unterwirft sich vielmehr einer zerstörerischen Macht, die in unserer Gesellschaft einen großen Einfluss hat. Eine die den Menschen verhöhnt, genau wie in der Karikatur Jesus auch am Kreuz verspottet wird. Mit der Freiheit der Liebe hat das gar nichts zu tun. Es geht um schnöde Pornographie.

Man muss freilich schon einiges an Interpretationskunst aufbringen. Doch bin ich sicher nicht die einzige Theologin, die solches kann. Wer hätte uns gehindert, die Karikatur zum Anlass zu nehmen, eine andere Deutung in Umlauf zu bringen?

Diese Karikatur zielt tatsächlich auf religiöse Gefühle. Aber zielt sie auch auf Diffamierung des christlichen Glaubens oder seiner Anhänger? Ich persönlich würde sagen: Nein. Vermutlich würden nicht alle mir darin so weit folgen. Doch man versteht diese Karikatur nur, wenn man ein wenig von christlicher Lehre weiß, ansonsten ist es schlicht albern und keiner Rede wert.

Wie man dabei urteilt, hängt davon ab, ob man die dargestellte Szene abstrahieren kann von den traditionellen Kreuzigungsszenen in der religiösen Kunst. Bei denen ist immer vorausgesetzt, dass sie eine biblische Darstellung illustrieren. Die Karikatur gehört in die Gesellschaftskritik, nicht auf den Altar.

Karikaturen sind Bilder, die etwas überzeichnen und es dadurch lächerlich machen, um auf etwas hin zu weisen. Solange das im Rahmen einer Karikaturenausstellung ist, habe ich kein Problem damit. Anders wäre es, wenn ein solches Bild auf staatliche Anordnung verbreitet würde oder in 10 Metern Größe auf die öffentlichen Plätze herabblicken würde.

Das Problem sind selten die Karikaturisten

Karikaturen von Charlie Hebdo wurden nach dem Anschlag in vielen Zeitungen in Deutschland nachgedruckt. Es ging um „Meinungsfreiheit“, zumindest dem Wortlaut nach. Solidarität zeigen! Der Inhalt der Karikatur ist dabei dann kaum noch wichtig, gleich wie lächerlich, dumm oder verletzend er auch immer sein mag. Oder wie gut.

Der Normalfall ist das allerdings nicht. Gewöhnlich werden Karikaturen von Charlie Hebdo nicht in allen wichtigen deutschen Medien gezeigt. Auch nicht in französischen.
Normal daran ist leider eher, wenn von Medien jede Gelegenheit ausgenutzt wird, um zu drucken, was der Leser anscheinend haben will. Was der Stimmung entspricht.

Es bringt Umsatzzahlen. Und genau so lange werden Karikaturen nachgedruckt auch die von Charlie Hebdo. Das geschieht im Strudel aufgepeitschter Gefühle. Zu einer kritischen Auseinandersetzung kommt es so nicht.

Wirtschaftlich ist das nachvollziehbar. Der Sinn der Karikatur ist dabei verfehlt.

Gute Karikaturen dienen dazu, Zusammenhänge bewusst zu machen. Dadurch, dass sie einen Sachverhalt bewusst überzeichnen, wollen sie auf Missstände aufmerksam machen. Wenn Karikaturisten allerdings nur Werke abgekauft und gedruckt werden, die die vorhandene Mainstream-Meinung bedienen, können sie nicht frei arbeiten und ihre Aufgabe erfüllen.

Zeitungen fühlen sich wiederum so wirtschaftlich unter Druck, dass sie meinen, so handeln zu müssen, um noch etwas zu verkaufen. Zeitungen sind in einer Krise. Und wo Geld da ist, üben große Medienkonzerne Druck aus, sich an erwarteten Verkaufszahlen zu orientieren, statt an journalistischen Standards. Dabei wollen die allermeisten Journalisten ihrem Berufsethos gemäß handeln.

Ganz ohne wirtschaftliches Denken geht es nicht, wenn man etwas verkauft. Doch ist eine Zeitung, die sich nicht an Journalismus orientiert, sondern allein vermutete Lesererwartungen bedient, keinen Cent wert. Da ist BILD billiger zu bekommen und leichter konsumierbar. Wenn man nicht gleich lieber auf YouTube stöbert und sich „passende“ Videos anzeigen lässt.

Narretei ohne Witz

Nein, wir sind wahrlich nicht Charlie Hebdo.

Inzwischen sind wir so weit, dass Karnevals-Wägen aus dem Programm genommen werden, weil man befürchtet, irgend jemandes „religiöses Gefühl“ zu verletzen.

Wohlgemerkt einer, der nach Abstimmungen im Internet als Favorit hervor gegangen ist. Der völlig harmlos zeigt, wie ein Schriftsteller der Gewalt islamistischen Terrors das geschriebene Wort, dem Gewehr den Stift entgegen hält. Nicht mal die Solidarität der Narren haben kritische Geister zu erwarten.

Mütter unterstützen das, sie hätten sonst Angst, ihre Kinder mit zum Umzug zu nehmen.

Liebe Leute, wohin soll das führen?

Was denkst Du darüber, wie wir mit Karikaturen umgehen sollten?

Schreib einen Kommentar oder schreib mir eine Email!