Ed Snowden hat ein priviligiertes Leben, die Beziehung zu seiner Freundin, einen gut bezahlten Job und ein wunderbares Zuhause auf Hawaii aufgegeben, um der Öffentlichkeit bekannt zu machen, was die Geheimdienste gerne geheim halten wollen: Dass sie quasi die digitale Kommunikation der ganzen Welt überwachen.

Whistle Blowing nennt man das. Zu Deutsch: Die Notbremse ziehen.

Aber was passiert da eigentlich? Weshalb erheben unsere Politiker so wenig Einspruch? Sind unsere Politiker die Lügner, zu denen erboste Kommentatoren sie machen?

Geheimdienste

Jeder Geheimdienst sammelt Daten und möchte am liebsten die ganze Welt überwachen. Wenn man Geheimdienste erschafft, muss man damit rechnen, dass sie tun, wozu sie geschaffen wurden: Nach Staatsfeinden Ausschau halten und potentiell jeden verdächtigen.

Im Inland ist man dabei zumindest formal noch an Gesetze gebunden. Die anderer Staaten sind da eher gleichgültig, dort darf man sich in der Regel ohnehin nicht erwischen lassen. Auch wenn man legal im Land ist, bräuchte man, ohne die allgemeinen Gesetze zu überschreiten, eigentlich kein Geheimdienst sein, um dasselbe zu erreichen.

Wie Nachrichtendienste arbeiten und was sie tun, ist im Wesentlichen bekannt. Sie unterscheiden sich allerdings im Ausmaß dessen, wie weit sie bei ihrer Tätigkeit gehen: Ob sie dafür töten und foltern und gezielt Fehlinformation streuen. Wie weit sie unliebsames verschleiern und mit ihren Mitteln in die Politik anderer Länder eingreifen.

Niemand ist wirklich überrascht, dass Nachrichtendienste Daten sammeln, oder? Es haben nur nicht alle Nachrichtendienste genauso viel Geld dafür zur Verfügung wie der amerikanische kommunikations-technische Nachrichtendienst NSA.

Was verstört Euch?
Doch wohl eher, welche Ausmaße solche Tätigkeiten angenommen haben! Da sind Organisationen entstanden, die im Namen von Demokratie und Freiheit die demokratische Selbstbestimmung aushebeln und die Freiheitsrechte ignorieren.

Sie haben mehr finanzielle und technische Möglichkeiten als alle anderen Organisationen und unterliegen nicht denselben Beschränkungen wie alle anderen. Sie sind den Staatsfeinden, nach denen sie Ausschau halten, verdächtig ähnlich.

Geheimdienst und Politik

Doch sie machen ihren Job unter dem Schutz des Staates, den sie schützen. Im Namen dieses Staates und – nach ihren Maßstäben – nur zu dessen bestem. Ganz ihrem von diesem Staat erteilten Auftrag gemäß auf das Ziel hin, das ihre Existenz rechtfertigt: Die Interessen dieses Staates zu vertreten. Mit den ihnen eigenen Mitteln.

Der Auftrag des NSA besteht gerade darin, weltweit die Leitungen zu überwachen, die Übertragung nach verwertbaren Information zu filtern und sie auszuwerten. Sie beschäftigen sich mit Daten, Kryptologie und Telekommunikation. Sie sind die absoluten Profies, was digitale Daten angeht, und keiner wird erwarten, dass sie etwas anderes als die neueste erreichbare Technik benutzen.

Für ihre Existenz sind nicht die Nachrichtendienste selbst verantwortlich, sondern die Staaten, die sie erschaffen haben, sie unterhalten und ihnen das Geld ihrer Bürger dafür geben.

Selbstredend berichten diese Dienste ihren staatlich Zuständigen und Aufsichtsgremien von ihren Erfolgen aus dem Blickwinkel von Menschen, die einem gänzlich anderen Regelsystem – dem des Geheimdienstes – unterliegen. Reflexion auf Demokratietauglichkeit ist dabei nicht verlangt und würde ein sehr anderes Selbstverständnis voraussetzen – eines wie das von Ed Snowden.

Welcher Politiker in Regierungsverantwortung würde ohne weiteres zugeben, dass die Regierung, der er angehört, ihren Gemeindienst tatsächlich nicht unter Kontrolle hat? Und welcher würde erst recht zugeben, dass die Weltsicht dieses Geheimdienstes sich außerhalb der Maßstäbe demokratisch-freiheitlicher Staaten bewegt, und eben diese Regierung dafür zuständig ist?

Geheimdienst als internes Regelsystem

Es ist selbstverständlich, dass in Berichten von Geheimdiensten alles zum Wohl des Staates und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben geschieht.

Diesen Rahmen auf seine Tauglichkeit zu überprüfen ist auch nicht Sache des Geheimdienstes – dann wäre die Diktatur perfekt – sondern von Politikern, die jedoch vornehmlich ihre Information dazu just von diesen Nachrichtendiensten beeinflusst beziehen.
Es geht nicht darum, dass Geheimdienstchefs Knallköppe wären oder Lügner oder Anti-Demokraten. Nein, ganz und gar nicht, es geht darum, dass sie in ihrer geheimdiensteigenen Weltsicht stecken, für die es keinerlei Korrektur durch öffentlichen Diskurs gibt.

Jede Organisation, deren Innenleben nach außen hin abgeschottet ist, entwickelt ihr eigenes internes Regel- und Wertsystem.

Das gilt auch etwa für die Kirchenstrukturen und die Internate, in denen Missbrauch geduldet und gedeckt wurde. Das interne Regelsystem belohnt Verhaltensweisen, die zu seiner Aufrechterhaltung beitragen, unterbindet Hinterfragen und fördert die Entstehung systemeigener Wertigkeiten, die sich von denen außerhalb deutlich unterscheiden können.

Von diesem organisationsgebundenen Wertsystem hängt ab, wie die Institution nach Innen funktioniert und wie der Kontakt zum umgebenden System gestaltet wird. Die offiziell nach außen vertretenen Werte können davon erheblich abweichen. Sich selbst sieht man mit ihnen in Einklang.
Manchmal bewusst, häufiger unbewusst wird die Verantwortung fürs eigene Handeln an das interne System abgetreten. Dieses hat sich dem Ziel der Verteidigung eines nach außen verlagerten Wertsystems verschrieben, dessen Idealisierung das interne Leben unterworfen wird. Das entspricht dem – grundfalschen – Grundsatz der Staatsräson: „Der Zweck heiligt die Mittel“.

Geheimdienste sind per se Organisationen, die sowohl eigenen Regelsystemen unterliegen als auch den Außenkontakt beschränken und regulieren.

Der amerikanische Nachrichtendienst NSA ist eine sehr große solche Organisation. Es ist wohl der finanzstärkste Geheimdienst der Welt.

Aus seiner Sicht ist Ed Snowden ein Verräter. Selbstverständlich, denn er hat Dinge verraten, die man ihm nicht erlaubt hat zu verraten. Er hat aber nicht vor allem Geheiminformation preisgegeben, da hätte er andere Dinge sagen können. Er hat erklärt, wie das System funktioniert.

Er hat damit massiv gegen das interne Regelsystem verstoßen. Er ignorierte es, weil sein aus anderen Quellen gespeistes Wertesystem stärker ist. Das bei der NSA beobachtete Verhalten widersprach dem.

Er musste die USA verlassen. Er ist auf der Flucht.

Das offene Geheimnis

Aber die Aufgabe der NSA ist eigentlich gar nicht so geheim. Ebenso wenig sind Grundkenntnisse über technische Möglichkeiten geheim. Und auch nicht geheim ist, dass die NSA die Mittel hat, um diese Möglichkeiten zu nutzen.

Was hat Ed Snowden verraten, was geheim war?

Schreibe denn ich hier irgend etwas, was man nicht im Prinzip wissen und durch Nachdenken nachvollziehen kann? Braucht man dafür besonderer Recherchemaßnahmen? Wohl kaum.
Auch in der Wikipedia stehen Artikel über Geheimdienste und über den NSA. Jeder kann das lesen. Jeder kann Verhalten beobachten. Jeder kann die verschiedenen, völlig öffentlichen Informationen miteinander in Zusammenhang bringen. Im Prinzip.

Das Problem besteht nicht darin, dass man es nicht wissen kann, sondern darin, wo wir hin schauen. Das Problem ist, was wir glauben.

Ed Snowden hat unsere Aufmerksamkeit auf das gelenkt, was unsere Perspektive verändert: Dass wir die Ausspionierten sind.

Zwei einander widersprechende Prinzipien

Ed Snowden hat demokratische Kontrolle gefordert.

Die Daseinsberechtigung von Geheimdiensten: Staatsräson. Geheimdiplomatie. Selbstverständlich in der „überarbeiteten“ Form, nach der der Staat dem Bürger dient und alles zum besten des Bürgers geschieht. Der Staat bleibt dabei aber nach wie vor dem Bürger vorgeordnet. Ein ganz undemokratisches Prinzip.

Dafür gibt es allerdings einen Grund. Nachrichtendienste sind nicht Teil des demokratischen Prinzips. Sie gehören dem Raum zu, der nach wie vor außerhalb demokratischer Kontrolle liegt: Beziehungen zwischen souveränen Staaten.

Ein großer Teil der Kommunikation zwischen Staaten liegt auf der diplomatischen Ebene und beruht auch auf von Geheimdiensten bereitgestellten Informationen. Die Begegnungen von Staatsoberhäuptern bilden nur den öffentlich wahrgenommenen und auch öffentlich inszenierten Teil. Zwischen Staaten gibt es keine Demokratie. Es gibt kein demokratisches Gremium, das oberhalb von Staaten einen fairen Umgang der Staaten miteinander kontrollieren und gewährleisten könnte.

Andererseits geht es um den Umgang mit außerstaatlichen Gruppierungen, die keine demokratischen Prinzipien anerkennen, also gewaltbereit, im engeren Sinn „terroristisch“ sind oder als staatsgefährdend gelten. Soweit diese aus dem Ausland agieren, ist ihrer nur durch Agieren auf fremdem Hoheitsgebiet oder durch internationale Zusammenarbeit bei zu kommen. Nicht selten wird diplomatischer Druck ausgeübt.

Diplomatie kommt nirgends ohne Spionage aus. Alle Staaten wissen inoffiziell weit mehr über andere Staaten als was bekannt gemacht wird. Staaten spionieren mit Wissen der ausspionierten Staaten. Ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß…
Darauf basieren auch Handelsabkommen und Abrüstungsverträge.

Das System von Diplomatie und Geheimdiensten erlaubt nicht, nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu fragen. Die Unverhältnismäßigkeit ist Programm. Zumindest als angedrohte.

Aber letztendlich muss jeder Staat dabei das Gesicht wahren können. Diplomatie beruht auf gegenseitiger Anerkennung und auf Vertrauensbildung. Verrückterweise geschieht die gerade mit Methoden, die wir gewöhnlich dem Misstrauen zuordnen. Wisse möglichst viel, aber nutze dein Wissen nie dazu, das Ansehen des anderen zu beschmutzen. Zumindest solange sich Alternativen finden lassen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, und Gold wollen wir doch und wir wissen, dass euch das auch lieber ist…

Es geht die Öffentlichkeit nichts an. Dagegen hat Ed Snowden verstoßen.

Wie Politiker reagieren…

Aufschlussreich ist das „Sommer-Interview“ des ZDF mit Bundespräsident Gauck am 30. Juni 2013:

Aus dem Zusammenhang wird deutlich: Joachim Gauck geht davon aus, dass nicht gezielt Personen überwacht werden. Seiner Ansicht nach unterscheidet das die Tätigkeit der NSA von den Akten der Stasi: Es würden keine personenbezogenen Akten angelegt, sondern unspezifisch Daten gesammelt und gespeichert.

Er folgert daraus, deshalb sei es legal und auch nicht gegen das Grundgesetz. Gezielt nach jemandem gesucht dürfe nach Aussagen von Präsident Obama auch in den USA nur aufgrund eines begründeten Verdachts werden und gezielte Überwachung nur durch Gerichte angeordnet werden.

Warum es legal sein soll, sämtliche Daten – auch auf deutschem Boden und von deutschen Staatsbürgern – zu sammeln und langfristig zu speichern, ist indes unklar. Dabei wäre das allein tatsächlich noch relativ gesehen harmlos…

Diese Daten werden keineswegs nur auf eine Festplatte abgelegt. Euch ist klar, wie viel allein Google – völlig legal – über Euch weiß? Und das ist gemessen daran sehr wenig…
…dann bekommt Ihr eine erste leise Ahnung, wie detailliert die erstellten Profile tatsächlich sind. Das alles nur mit Algorithmen, OHNE gezielt jemanden zu beobachten oder zu verfolgen.

Reine Spekulation? Wohl kaum. Was man machen kann, wird auch gemacht.

Dass Gauck als Bundespräsident im Interview vorsichtig ist, was er sagt – er spricht dies im Interview selbst an – ist verständlich. Er repräsentiert die Bundesrepublik.

Gauck gibt, anders als die meisten, unumwunden zu, dass ihm Information fehlt. Vielleicht ist es eher so, dass er nicht oft genug im Internet ist, um zu wissen, was „personalisierte“ Werbung ist.

Zumindest äußert er sich „besorgt“ und bekennt sich zu klar priorisierten Werten: Er will es „mit Benjamin Franklin halten, der einmal gesagt hat, wenn man die Freiheit opfert für die Sicherheit oder sich fragt, was ist wichtiger, und wenn man dann dem Sicherheitsdenken den Vorrang gibt, dann wird man die Freiheit zuletzt verlieren.“

Er sieht dies bei uns bisher nicht gegeben, aber hat er recht?

Mir dünkt, da ist etwas am Entstehen, für das er zumindest in der Funktion als Politprofi keine Kategorien hat. Gauck lügt nicht, er lässt sich viel eher einwickeln. Wie wir alle.

…und was wirklich passiert

Spielen wir also einmal durch, welche Gefahr denn da lauert:

  1. Es werden Daten gesammelt über sämtliche medial vermittelte Kommunikation auf allen zugänglichen Kanälen. Sogenannte Metadaten werden gesammelt, also insbesondere Daten, durch die nachweisbar ist, wer mit wem in Verbindung tritt. Digitale Nachrichten werden auf nachrichtendienstlich relevante Schlüsselwörte gescannt. All dies geschieht automatisch mit Hilfe von Computerprogrammen.
  2. Daraus werden Verhaltensprofile erstellt. Verhaltensprofile einer Person auf verschiedenen Kanälen werden einander zugeordnet, so dass umfangreiche Personenprofile entstehen. Auch das geschieht mit Hilfe von einprogrammierten Algorithmen.
  3. Finden sich Konstellationen, die das Programm als verdächtig einstuft, spuckt es diese Profile aus. Das installierte Computersystem produziert Verdächtige.
  4. Hat man dann einen solchen konkreten Verdacht, darf man gezielt weiter nachforschen. Auch im Inhalt etwa von Emails.
  5. Verdächtig sind automatisch auch alle, die mit der betreffenden Person in Kontakt standen.
  6. Muss man ein Gericht davon überzeugen, dass Überwachung angebracht ist, muss man bloß aus der Masse der Daten eine plausible Geschichte konstruieren. Sie braucht nichts mit der Realität zu tun haben, sondern nur mit den vorhandenen Daten kompatibel zu sein. Es genügt, den Verdacht begründen zu können.
  7. Wenn man es ohne Aufhebens lösen will, wirst du nie etwas erfahren. Du verlierst vielleicht deinen Job, deine Familie bricht am Ende sogar auseinander… aus Gründen, von denen du nichts weißt und die du nicht durchschaust. Es genügt ja, den „richtigen“ Leuten falsche Infos zu stecken, und du hast keine Chance, dagegen irgend etwas zu unternehmen.

Man muss dafür nicht paranoid sein. Es ist möglich. Und es wird gemacht werden. Wenn nicht bei uns dann anderswo. Man kann „befreundeten“ Staaten Daten zur Verfügung stellen. Diese „Freunde“ sind oft genug Diktaturen gewesen. Es gibt keinen plausiblen Grund anzunehmen, dass das in Zukunft plötzlich anders sein wird.

Aber wer will sagen, was hinter den geistigen Mauern geschlossener Organisationen geschieht? Wie weit würden Geheimdienste gehen?

Was heißt würde… sie tun es ja.

Bei uns ist es nicht so einfach, Drohnen zu schicken, um Menschen gezielt zu töten. Das wäre ziemlich auffällig. Wie würden wir aber wohl reagieren, wenn jeder Drohnen-Angriff durch die CIA in Pakistan samt Folgen in unseren Nachrichten gemeldet würde?

Es geht „nur“ um einen Perspektivwechsel. Und alles ist plötzlich anders.

Plötzlich sind wir nicht mehr die „Gerechten“, die gegen die ausgemachten Feinde der Demokratie kämpfen und der Welt die Freiheit bringen. Wir sind selbst die Verdächtigten, selbst die, die als potentielle Feinde behandelt werden.

Dabei sind Folter und Entrechtung in Quantanamo, die gezielten Tötungen durch Drohnen und die totale weltweite Überwachung ja nur die Dinge, die tatsächlich in den Blick gekommen sind. Unsere Vorstellung davon, was von dem zu halten ist, was die westlichen Geheimdienste so tun, wäre sicher anders, wenn wir an einem Ort leben würden, an dem wir allenthalben spüren würden, wie sie ihre unsichtbaren Fäden ziehen.

Beschränkte Wahrnehmung

Gerade als ich diesen Artikel fast zuende geschrieben habe, läuft bei mir letzten Sonntag auf facebook Michael Blumes Erfahrungsbericht ein, in dem er schildert, wie er unwissentlich gegen Interessen aus „Sicherheit“s-Kreisen verstieß und durch gezielte Hetze fast für immer seinen Ruf eingebüßt hätte. Der Beitrag ist lang, aber lesenswert, und damit war mein Abend gelaufen… und mein Blogpost erscheint erst heute.

Nicht vergleichbar? Ja, hier werden „nur“ Kollegen, Politiker und die Medien für miese Zwecke eingespannt. Der Angriff verläuft völlig offen. Doch gerade das zeigt: Es wird gemacht. Es ist ein Lehrstück, weil er die Mechanismen vorführt, mit denen Rufmord betrieben werden kann.

Wie viel man öffentlich und wie viel verdeckt in Gang setzt, mag je nach Gegebenheiten verschieden sein, an der Sache ändert das wenig. Bei uns sind mediale Kampagnien oft höchst wirkungsvoll, manche ruinieren Menschen. Anderswo wirkt vor allem das direkte Ausüben von Druck und die Androhung von Gewalt. Und manchmal werden Leute einfach „aus dem Weg geräumt“.
Entscheidend ist, dass solches überall auf der Welt geschieht, dass es wieder geschehen kann und dass wir die nächsten sein können, die jemandem im Weg stehen. Niemand kann von weitem entscheiden, was wirklich dahinter steckt.

Sind es Privatleute, die solches initiieren, nennt man das kriminell. Wenn es vom Staat getragene Kräfte sind, ist es – zu unserer Sicherheit?

Nachrichtendienste gehören dem exekutiven Bereich an, sie sind Regierungen unterstellt. Doch sie werden kaum öffentlich kontrolliert und unterstehen, solange alles gut geht – nichts auffliegt, bekannt wird – auch nicht der Gerichtsbarkeit.
Sie weiten nicht nur ihre nachrichtendienstliche Informationssammlung aus, sondern auch ihre operativen Tätigkeiten, paramilitärische Aktionen und die psychologische Kriegsführung.

Gleichzeitig scheint der öffentliche Handlungsspielraum von Regierungen immer geringer zu werden. Taucht also das Regieren in die Grau-bis Schwarzzone geheimdienstlicher Tätigkeit ab?

Wodurch ist die Freiheit nun wirklich bedroht?

Bevor jemand nun allerdings allzu krude Verschwörungstheorien bestätigt sieht: Da sitzt kein heimlicher Diktator, der alles weiß und alles lenkt!

Ganz im Gegenteil. Was hier passiert beruht gerade auf beschränkter Wahrnehmung und einem sich selbst perpetuierenden System, in dem jeder nur einen Ausschnitt kennt und seinen Part spielt.

Warum Ed Snowden zum Whistle Blower wurde

Ed Snowden ist nicht nur kompromisslos gewesen darin, für seine Überzeugung alles aufs Spiel zu setzen, er lehnt auch kompromisslos eine zweite Wertewelt neben der öffentlichen ab. Er akzeptiert weder mehr die geschlossene Institution, die nach eigenen Regeln existiert, noch das Prinzip einer „diplomatischen“ Anderswelt.

Das ist konsequent demokratisch-freiheitlich gedacht. Nur unsere Welt ist nicht so.

Die Zahl und Massivität der Eingriffe in die Angelegenheiten anderer Staaten wird nicht weniger sondern mehr. Die Begründung ist immer dieselbe: Sicherheit. Andere Formen von Sicherheit als die nach dem Zuschnitt von Geheimdiensten sind dabei regelmäßig nicht im Blick.

Die öffentliche Wahrnehmung ist medial gelenkt, weniger im Sinn der Zensur als dadurch, dass ein Hype den anderen jagen muss, so dass Dinge, die wenig ins Selbstbild der Gesellschaft passen, einfach nicht rezipert werden und sich kaum einer Zeit zur tiefergehenden Information nimmt. Wir ertrinken in Informationwellen, die uns eine nach der anderen überrollen. Nicht nur wir, ebenso unsere Politiker.

Wir können nicht weiter unseren Verstand mit immer neuen Hypes benebeln. Die öffentliche Meinung spielt eine so große Rolle wie nie zuvor in der Geschichte. Deshalb brauchen wir Möglichkeiten und Fähigkeiten, um uns nicht einfach von ihrem Wildwasser treiben zu lassen.

Ed Snowden hat keinen Hype geplant. Er ist öffentlich geworden, um nicht wiederum mit denselben Mitteln zu arbeiten, vor denen er uns warnt. Ihm ist klar, dass sein Handeln nicht seinem Ziel widersprechen kann. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Er will öffentlich machen, doch die Konsequenzen seines Tuns trägt er selbst.

Ihr seid noch dabei? Wenn Ihr das alles gelesen habt, dann seht Euch jetzt (nochmal) mit diesem Blickwinkel das Video an mit dem Interview, in dem Ed Snowden  an die Öffentlichkeit tritt. Der Gardian stellt das Video und den transkribierten Text des Interviews zur Verfügung.

Lest dazu auch den kath.de-Kommentar von Matthias Schmidt und den Beitrag Der Moment der Bürger auf ZEIT ONLINE.