Gespräche über Buddhismus – Teil 1 : Der Buddha im Advent
Die Künstlerin Frida Adriana Martins hat mich nach meiner Praxis der Zen-Meditation und zum Hintergrund im Buddhismus befragt. Von ihr stammen auch die Illustrationen zu dieser Serie.

Was machen Buddhisten deiner Meinung nach im Advent?

Buddhisten bei uns machen meist genau dasselbe wie andere Menschen auch: Sie gehen auf Adventsmärkte, zünden Kerzen an und frieren an den Zehen. Für die meisten Menschen in Deutschland, auch die, die Kirchenmitglieder sind, hat der Advent nur noch wenig reDer Buddha im Advent - Einer meditiert mit halb geschlossenen Augen - und Kerze in der Hand.ligiöse Bedeutung. Ursprünglich war es die Vorbereitung auf das christliche Weihnachtsfest, aber es gibt wenige Menschen, die Weihnachten noch bewusst seiner christlichen Bedeutung nach feiern, also als Fest der Geburt des Erlösers.

Glaubst du, Menschen suchen heute noch nach „Erlöserfiguren“ und wenn ja wie/nach welchen? Glaubt der Buddhismus an Erlösergestalten?

Menschen suchen ständig nach Erlöser-Figuren. Nur ihre Gestalt verändert sich. Jeder typische amerikanische Science Fiction oder Thriller hat eine Erlöser-Figur als Helden. Die eindeutigste ist wohl Superman. Aber ebenso hat ein nordkoreanischer Diktator, der als Übervater präsentiert wird, den Charakter einer Erlöser-Figur.

Was „der Buddhismus“ glaubt, hängt vor allem von dessen Ausprägung und den lokalen Traditionen ab. Der „historische“ Buddha, Siddhartha Gautama, ist ganz klar ein Mensch und mitnichten ein Gott. Trotzdem wird er häufig in genau der Weise verehrt, in der Menschen Göttern Verehrung darbringen. Im volkstümlichen Buddhismus ist „Buddha“ somit in der Tat eine Erlöser-Figur. Er wird für die Sorgen und Nöte des Alltags angerufen wie eine Gottheit.
Aber „Buddha“ heißt nur „der Erwachte“. Jeder kann und soll Buddha sein. Buddha ist der Mensch, der zum unverstellten Menschsein erwacht. Da kommt man durch eigene Praxis hin, nicht dadurch, dass man die Verantwortung für das eigene Leben an einen anderen abtritt. Buddhismus ist also an sich das Gegenteil von einer Erlöser-Religion.

Buddhismus bedeutet, einen Zustand zu erreichen, in dem man das Leben nicht mehr als Leiden empfindet. Man bewertet nicht mehr alles und kann sich so auch aus der permanenten Opferrolle heraus bringen.

Anders gefragt: Was machen Buddhisten im Advent ANDERS als andere Leute?

Ich praktiziere Zen-Buddhismus. Es gibt dort die Tradition, eine Woche in ein Sesshin, ein Retreat zu gehen. Der 8. Dezember gilt der als Tag der Erleuchtung des Gründers des Buddhismus, Siddhartha Gautama, vor 2 1/2 Tausend Jahren. Wir nehmen dies zum Anlass, vor diesem Datum für eine Woche intensiv zu meditieren und ihn darin nachzuahmen.

Der 8. Dezember hat sich durch die Umstellung auf den gregorianischen Kalender herausgebildet. Manche machen dieses Rouhatsu Sesshin auch im Januar, wie es nach altem japanischen Kalender wäre. In Deutschland halten wir das flexibel. Letztendlich ist das zwar ein symbolisches Datum, aber wann man sich davon inspirieren lässt, ist egal. Ich werde diesmal erst im Januar am Rouhatsu Sesshin teilnehmen. Im Advent verkaufe ich an manchen Tagen auf dem Weihnachtsmarkt…

Wie stehen Buddhisten zum Beispiel zum Weihnachts-Kommerz? Kaufst du materielle Geschenke, und wenn ja in welcher Verbindung stehst du zu den Empfängern und zu diesen Geschenken selbst?

Die Leute um mich rum sind ja meist keine Buddhisten, und für mich ist es gar kein Problem, mich den christlichen Traditionen anzupassen. Schenken tue ich kaum, das liegt vor allem daran, dass das in unserer Familie überall weitgehend abgeschafft ist – unabhängig davon, ob ich Zen-Meditation praktiziere.
Kommerz generell – na ja, ist Teil der Kultur, in der wir leben. Es ist nichts falsch daran, Produkte zu verkaufen. Unfug wird daraus, wenn die Folgen zerstörerisch und aufdringlich sind. Oder gesellschaftlich Menschen abgewertet werden, weil sie sich etwas nicht leisten können. Letztendlich muss der Markt den Menschen dienen, nicht umgekehrt, und das ist nicht immer gegeben.

Wenn man viel meditiert, werden manche Dinge unwichtiger: Immer das neueste haben zu müssen, sich dauernd im Licht der Meinung anderer zu sehen, Trends hinterher zu laufen – all das bringt einen letztlich weg von sich selbst. Meditieren hat ja gerade den Sinn, sich selbst wahr zu nehmen und sich selbst so auf die Schliche zu kommen.

Genieße, was du hast. Aber wenn du dauernd dies und das und das auch noch brauchst, suchst du das Glück an der falschen Stelle. Vor lauter Zeug um sich rum, nimmt man die Dinge selbst nicht mehr wahr. Letztendlich ist das aber wie ständig Bungee springen, um diesen oder jenen „Kick“ noch mitzunehmen, der uns noch für einen Moment in diesen wunderbaren Wachzustand versetzt – weil wir eben den Zauber des Normalen nicht kennen. Man kann das ändern.
Und dann kann man sich von einem Adventsmarkt bezaubern lassen, ohne vom sogenannten „Kommerz“ ergriffen zu werden.

Lest nächste Woche weiter!
„Der Weihnachtsbuddha“ – Darin fragt mich Frida, wie es kam, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin.